Felix ist sauer (Wutgeschichte)
Wut ist ein starkes Gefühl, das Kinder oft unerwartet überwältigt – und gar nicht so leicht zu begreifen ist.
Unsere Geschichte „Felix ist sauer“ kann ein guter Einstieg sein, um das Thema Wut für Kinder greifbarer zu machen. Sie ist als Gesprächsimpuls für Eltern (und auch Erzieher/innen, Betreuer/innen) gedacht, um mit Kindern über deren eigene Wut zu sprechen und ihnen Wege aufzuzeigen, mit Wut und starken Emotionen umzugehen. Woran erkennt man eigentlich, dass man wütend ist? In welchen Situationen wird man wütend? Und wie kann man seine Wut rauslassen, ohne jemandem weh zu tun?
Im Anschluss an die Wutgeschichte findet ihr kindgerechte Reflexionsfragen, mit denen ihr ins Gespräch einsteigen könnt.
Die Lesezeit liegt bei etwa 5 Minuten.
Felix ist sauer
Felix spielte mit seiner Mutter und seiner kleinen Schwester Lena sein neues Dinosaurier-Memory. Das Spiel hatte er zum Geburtstag bekommen und er war schon richtig gut darin. Doch dann passierte etwas, womit Felix nicht gerechnet hatte.
„Gewonnen!“, rief Lena und freute sich. Sie hatte am Ende gleich vier Paare hintereinander gefunden, so dass Felix gar nicht mehr an die Reihe kam. Dabei hätte er auch gewusst, wo die letzten Dino-Paare lagen. Ganz sicher sogar! Aber Lena hatte einfach nur geraten.
„Das gilt nicht!“, rief Felix. „Du hast nur geraten! Das war geschummelt!“, schrie er seine Schwester an. Dann packte er Lenas Stapel mit Memorykarten und warf sie in ihre Richtung.
Lena zuckte erschrocken zusammen. Sie hatte nicht geschummelt. Sie hatte einfach Glück gehabt und das Spiel ehrlich gewonnen.
Doch Felix war anderer Meinung. Er ballte seine Hand zu einer Faust und schlug damit krachend auf den Tisch.
Lena schreckte zurück. Sie konnte sehen, wie das Gesicht ihres Bruders ganz rot wurde.
Dann sprang Felix auf und rannte die Treppe hinauf in sein Zimmer.
„Bumm!“ Oben hörte man die Zimmertür zuknallen.
„Ich hab doch gar nicht geschummelt“, sagte Lena und schaute ihre Mama traurig an. Die antwortete: „Ich weiß, mein Schatz. Gib deinem Bruder ein bisschen Zeit, sich zu beruhigen. Ich werde gleich mal nach ihm schauen.“
Die Mutter ging nach oben und klopfte sacht an Felix Zimmertür.
„Geh weg, lass mich in Ruhe“, brüllte Felix ihr von drinnen entgegen.
„Felix, hier ist Mama“, sagte sie mit ruhiger Stimme. „Ich bin gekommen, um zu schauen, wie es dir geht. Darf ich bitte reinkommen?“
„Mir doch egal“, schrie Felix zurück.
Langsam öffnete die Mutter die Tür und sah Felix auf dem Boden vor seinem Bett sitzen. Voller Wut hatte er seine Beine umschlungen und sein Gesicht hinter den Armen versteckt.
Seine Mutter setzte sich neben ihn. „Ich kann verstehen, dass du enttäuscht bist, weil du nicht gewonnen hast“, sagte sie mitfühlend.
Da schaute Felix auf. Sein Gesicht fühlte sich warm an und war ganz rot. „Das war unfair!“, brummte er.
Seine Mutter schaute verständnisvoll. „Möchtest du vielleicht mit mir darüber reden?“, fragte sie.
Aber reden wollte Felix nicht. Er war so wütend, dass er einfach nur schreien und um sich schlagen wollte.
Da kam Felix Mutter eine Idee. „Weißt du Felix“, sagte sie, „manchmal ist man so wütend, dass man einfach nur schreien und boxen will. Das ist okay. Aber anstatt andere Menschen anzuschreien und um sich zu hauen, kann man auch irgendwo hin schreien und schlagen, wo es niemanden verletzt.“
Felix hob den Kopf und schaute sie fragend an. Er wusste nicht, was sie damit meinte.
Da sprang seine Mama auf und lief in das Elternschlafzimmer. Dort nahm sie ein altes Kopfkissen aus ihrem Kleiderschrank brachte es zu Felix, der immer noch in seinem Zimmer auf dem Boden hockte.
Plötzlich warf sie das Kissen aufs Bett und begann mit den Fäusten in das Kissen zu boxen. Dabei brüllte sie laut: „Woooooaaaar!“ Es hörte sich an wie ein wilder Löwe.
Das wollte Felix auch mal ausprobieren. Boxen konnte er gut, vor allem wenn er so wütend war wie jetzt! Er ballte beide Fäuste und boxte damit in das Kissen. Und auch er brüllte wie ein Löwe: „Woooooaaaar! Woooooaaaar! Woooooaaaar!“
Und so brüllten und boxten die beiden abwechselnd in das Kopfkissen. Nach einer Weile, als ihnen schon fast die Luft ausging, schauten sie sich an. Da mussten sie beide schmunzeln.
„Wir sind zwei laute Löwen“, lachte Felix. Seine Mutter antwortete: „Ja, manchmal muss man seine Wut einfach rauslassen.“
„Das war eine gute Idee!“, antwortete Felix. „Tut mir leid, dass ich die Karten auf Lena geworfen hab. Ich war einfach so sauer, weil ich unbedingt gewinnen wollte.“
Felix Mutter nahm ihn in den Arm. „Das ist schön, dass du dich entschuldigst. Das solltest du Lena auch sagen. Jeder kann mal wütend werden. Und manchmal macht man dann Dinge, die einem später leidtun.“
Die Mutter schüttelte das Kissen aus und schlug vor: „Das hier kann doch unser Wutkissen sein. Wir legen es hier ins Regal und wenn du dich mal wütend fühlst, dann holst du das Kissen.“
„Ja, ein Wutkissen ist eine gute Idee“, fand Felix.
„Was meinst du, sollen wir runtergehen und zusammen das Spiel aufräumen?“, fragte die Mutter.
„Ich komme mit“, murmelte Felix, „und dann sage ich Lena, dass es mir leidtut.“ Dann folgte seiner Mama ins Wohnzimmer.
Nach der Wutgeschichte
Die Wutgeschichte kann ein guter Einstieg sein, um mit Kindern über das Thema Wut zu sprechen.
Wir haben ein paar Fragen vorbereitet, die ihr im Anschluss an die Wutgeschichte stellen könnt, um mit eurem Kind ins Gespräch zu kommen. Dabei lernt das Kind die Anzeichen von Wut und Ärger zu erkennen und wird dazu angeregt, über seine eigenen Erlebnisse und Emotionen im Bezug auf Wut zu sprechen.
1. Woran konnte man erkennen, dass Felix wütend war?
- Felix hat seine Schwester und Mutter angeschrien
- er hat seine Hand zu einer Faust geballt und auf den Tisch gehauen
- er hat mit den Spielkarten um sich geworfen
- sein Gesicht wurde rot und warm
- er hat seine Zimmertür zugeknallt
- er hat sich auf den Boden gehockt und sein Gesicht hinter den Armen versteckt
2. Warst du auch schon mal so wütend wie Felix? Wann war das?
3. Was machst du, wenn du wütend bist?
4. Wie findest du die Idee mit einem Wutkissen? Willst du das auch einmal ausprobieren?